Kosten & Steuern bei der Zwangsversteigerung – alle Posten vor, während und nach dem Zuschlag

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Einleitung & Zielgruppe

Ein Zuschlag im Versteigerungssaal ist ein Moment der Klarheit: Wer höchstes bindendes Gebot abgibt, erhält den Zuschlag – ohne Notarvertrag, ohne Rücktrittsklauseln. Was sich auf dem Papier einfach anhört, ist finanziell nur dann wirklich sicher, wenn Ihre Gesamtbudgetplanung steht. Neben dem Meistgebot fallen eine Reihe von einmaligen und laufenden Kosten an – vom Gericht über das Grundbuch bis hin zu Steuern, Räumung, WEG‑Themen und Finanzierung. Viele Posten sind gesetzlich vorgegeben oder gerichtsabhängig; andere ergeben sich aus der konkreten Objektlage (z. B. Zustand, Mietverhältnisse, Gemeinschafts‑/Sonderumlagen).

Dieser Beitrag richtet sich an Eigennutzer, Kapitalanleger und Projektentwickler, die eine Immobilie aus der Zwangsversteigerung erwerben möchten und dabei frühzeitig wissen wollen, welche Zahlungen wann fällig werden. Wir kartieren die gesamte Kostenlandschaft, nennen typische Höhenordnungen (ohne die amtliche Mitteilung zu ersetzen), zeigen Stellhebel zur Optimierung, geben Musterrechnungen mit und stellen einen Kostenrechner bereit, mit dem Sie Ihr Total‑Budget schnell durchrechnen können. Ziel: Sie gehen mit einem disziplinierten Maximalpreis" in die Bietstunde – und können die Nebenkosten solide stemmen.

Wichtiger Hinweis: Gerichtliche Vorgaben, Gebührentabellen, Steuer‑ und WEG‑Regeln ändern sich. Prüfen Sie stets die amtliche Bekanntmachung, sprechen Sie bei Bedarf mit Bank, Steuerberater und ggf. Anwalt. Die folgenden Ausführungen sind eine praxisorientierte Hilfestellung – keine Rechts‑/Steuerberatung.

Die Kostenlandkarte – alles auf einen Blick

Die Gesamtbelastung beim Erwerb aus der Zwangsversteigerung setzt sich aus Pflicht‑ und Wahlposten zusammen. Pflichtig sind i. d. R. Grunderwerbsteuer, bestimmte Gerichts‑ und Grundbuchgebühren sowie die vollständige Zahlung des Meistgebots innerhalb der gesetzten Frist. Wahl‑ bzw. objektabhängig sind z. B. Kosten für Räumung, Erst‑Sanierung, WEG‑Sonderumlagen oder Versicherungen. Für die Finanzierung entstehen Zinsen, Bereitstellungs‑/Auszahlungsentgelte und Notar‑/Grundbuchkosten zur Eintragung einer Grundschuld.

Kostenmatrix – Pflicht vs. optional, einmalig vs. laufend

Posten Pflicht? Einmalig/Laufend Bemerkung
Grunderwerbsteuer Ja Einmalig Bundeslandspezifisch; vom Meistgebot (ggf. zzgl. bestimmter Bestandteile) berechnet.
Gerichtliche Kosten (Zuschlag/Umschreibung) Ja Einmalig Gebühren für Zuschlag/Titel, Grundbuchvollzug; Höhe nach Tabelle/Gesetz.
Grundbuchgebühren (Umschreibung, ggf. Löschungen) Ja Einmalig Eigentumsumschreibung; Löschungen teils berücksichtigt durch Zuschlag.
Sicherheitsleistung Faktisch ja Einmalig Regelmäßig 10 % des Verkehrswerts; Form & Frist durch Gericht.
Notar/Grundschuldbestellung Objekt-/Finanzierungsabhängig Einmalig Nur bei Finanzierung mit Grundschuld; Beurkundung + Eintragung.
WEG-Hausgeld / Sonderumlagen Objektabhängig Laufend/Einmalig Gemeinschaftskosten; u. U. Rückstände/Sonderumlagen einpreisen.
Räumung / Übergabe Objektabhängig Einmalig Kosten für Räumung, Schließanlage, Entsorgung, ggf. Umzug.
Versicherung (Gebäude/Haus & Grund) Empfohlen Laufend Sofort nach Zuschlag klären (Risikoschutz).
Erst‑Instandsetzung / Modernisierung Objektabhängig Einmalig Sanierungsbudget + Puffer; ggf. steuerlich absetzbar (Anlageobjekt).
Finanzierungskosten (Zinsen/Entgelte) Finanzierungsabhängig Laufend Tilgung, Zinsbindung, Bereitstellungszinsen im Blick behalten.

In der Praxis rechnen erfolgreiche Bieter konservativ: Meistgebot + (Nebenkosten in Prozent) + Erst‑Instandsetzung + Risiko‑Puffer. Die Nebenkostenquote schwankt je nach Bundesland, Gebühren, Finanzierungsweg und Objekt; als grobe Orientierung dient vielen Käufern ein Korridor im Bereich ~10–12 % des Meistgebots (ohne Gewähr; prüfen Sie stets die aktuellen Sätze/Tabellen).

Vor dem Termin: Unterlagen, Recherche & Fahrtkosten

Noch bevor Sie an die Bietstrategie denken, fallen kleine, aber reale Kosten an: Fahrten zur Objektlage, ggf. Kopiekosten für Unterlagen, Auslagen für externe Kurzprüfungen (z. B. bauliche Einschätzung, Energie/Heizung grob, rechtliche Einordnung). Das Verkehrswertgutachten ist regelmäßig die wichtigste Quelle – es ersetzt keine Innenbesichtigung, bietet aber harte Daten für Baujahr, Flächen, Zustand, Rechte/Lasten und Ertragserwartung. Stimmen Sie Ihre Vorauswahl mit Zeit und Budget ab; jede vor Ort verbrachte Stunde erspart Ihnen später teure Fehlentscheidungen.

Sicherheitsleistung & Zahlungsfristen

Um mitbieten zu können, verlangt das Gericht eine Sicherheitsleistung – in der Praxis häufig 10 % des festgesetzten Verkehrswerts. Form (z. B. bankbestätigter Scheck in bestimmter Form) und Frist stehen in der amtlichen Bekanntmachung. Bargeld wird meist nicht akzeptiert. Ohne gültige Sicherheit gilt: kein Bieten. Planen Sie die Bereitstellung rechtzeitig – speziell, wenn Ihre Bank internen Vorlauf benötigt.

Wer den Zuschlag erhält, muss das Meistgebot fristgerecht zahlen. Hinzu kommen Gerichts-/Grundbuchposten und die Grunderwerbsteuer. Erst nach vollständiger Zahlung und Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (z. B. Bescheinigungen) kann die Eigentumsumschreibung erfolgen. Wer finanziert, richtet frühzeitig den Zahlungsfluss ein: Bank, ggf. Treuhandwege für Gebühren/Steuern, Fristkalender.

Gerichtskosten & Grundbuchgebühren

Beim Erwerb in der Zwangsversteigerung entfallen klassische Notarkosten des Kaufvertrags. Gleichwohl fallen gerichtliche Gebühren für den Zuschlag/Titel sowie Grundbuchgebühren an – insbesondere für die Eigentumsumschreibung. Die konkrete Höhe ergibt sich aus gesetzlichen Gebührentabellen und gerichtlichen/grundbuchamtlichen Vorgaben.

  • Zuschlagsgebühr & Ausfertigungen: Für den rechtskräftigen Titel und notwendige Ausfertigungen/Dokumente fallen Gebühren an.
  • Umschreibung im Grundbuch: Die Eigentumsumschreibung wird auf Basis des Zuschlags veranlasst; Gebühren nach Wert/Tabellen. Bestimmte Eintragungen werden mit Zuschlag gelöscht, andere bleiben bestehen (z. B. Dienstbarkeiten, Wohnrechte) – die wirtschaftliche Wirkung prüfen und einpreisen.
  • Löschung von Rechten/Lasten: Löschungen, die nicht kraft Zuschlags erfolgen, können zusätzliche Eintragungsgebühren verursachen.

Kalkulatorisch wird oft mit einigen Promille bis wenigen Prozent des Meistgebots für Gerichts/Grundbuchposten gerechnet. Exakte Beträge ergeben sich jedoch erst im Einzelfall; behalten Sie daher einen Puffer und prüfen Sie die Mitteilung des Gerichts/Grundbuchamts.

Steuern: Grunderwerbsteuer, USt, Grundsteuer & AfA

Grunderwerbsteuer (GrESt): Sie fällt regelmäßig beim Erwerb von Grundstücken/Immobilien an und bemisst sich grundsätzlich am Wert der Gegenleistung. In der Zwangsversteigerung ist die Gegenleistung in der Regel das Meistgebot (sowie ggf. bestimmte Bestandteile). Der Steuersatz ist bundeslandspezifisch und rechtspolitisch beweglich. Prüfen Sie daher den aktuellen Satz Ihres Bundeslands kurz vor dem Termin und kalkulieren Sie mit einem realistischen Wert in Ihrem Budget. Die Frist zur Anzeige/Zahlung der Steuer ist einzuhalten; andernfalls verzögert sich die Umschreibung.

Umsatzsteuer (USt): Der reine Erwerb einer Bestandsimmobilie von Privatpersonen unterliegt grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer. Bei gewerblichen/unternehmerischen Konstellationen, Optionen und speziellen Sachverhalten (z. B. Neubau, Teiloptionen) kann USt eine Rolle spielen – das ist selten, aber möglich. Lassen Sie solche Fälle vorab prüfen, wenn Sie Anhaltspunkte sehen.

Grundsteuer: Nach Eigentumsübergang ist die jährliche Grundsteuer zu tragen. Sie ist laufend zu veranschlagen und in die Renditeplanung aufzunehmen (Anlageobjekt) – bei Eigennutzung als Fixkostenposition.

Einkommensteuerliche Einordnung / AfA: Beim Vermietungsobjekt können Sie Werbungskosten (z. B. Finanzierungskosten, Verwalter, laufende Instandhaltung) und die Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Gebäude (nicht für den Grund und Boden) geltend machen. Die lineare AfA liegt – je nach Gesetzeslage/Baujahr – in einer Größenordnung von ~2–3 % p. a. (ohne Gewähr; prüfen Sie die aktuellen Sätze). Größere Modernisierungen können ggf. als Herstellungskosten aktiviert werden und wirken über die AfA, während laufende kleinere Aufwendungen sofort abziehbar sein können. Bei Eigennutzung entfallen diese Effekte weitgehend.

Steuer‑Tipp: Halten Sie Anschaffungsnebenkosten sauber fest (Gebühren, Steuern, Notar/Grundschuld) – bei Anlageobjekten erleichtert das die steuerliche Einordnung. Prüfen Sie zudem, ob und inwieweit WEG‑Umlagen und Instandsetzungen steuerlich zu behandeln sind.

WEG-Kosten & laufende Nebenkosten

Bei Wohnungseigentum (ETW) sind die Kosten der Gemeinschaft entscheidend für Wirtschaftlichkeit und Planbarkeit. Prüfen Sie Wirtschaftsplan, Jahresabrechnungen, Beschlusssammlung und den Stand der Instandhaltungsrücklage. Hoher Sanierungsbedarf der Gemeinschaft (Dach, Fassade, Heizung, Aufzug) kann selbst einen günstigen Zuschlagspreis schnell relativieren.

  • Hausgeld: Deckt laufende Gemeinschaftskosten; Teile davon sind nicht umlagefähig (Rücklagen). Als Vermieter kalkulieren Sie den nicht umlagefähigen Anteil in Ihrer Renditerechnung; Eigennutzer sehen hier Fixkosten.
  • Rückstände & Sonderumlagen: Rechtlich komplex. In der Praxis prüfen Erwerber, ob und in welcher Höhe bestehende Rückstände oder beschlossene Sonderumlagen wirtschaftlich bei ihnen ankommen können. Sprechen Sie früh mit der Verwaltung, um Überraschungen zu vermeiden.
  • Nebenkostenverteilung: Achten Sie auf Schlüssel (MEAE, Wohnfläche etc.) und Sondereigentum (Stellplätze, Gärten). Sondernutzungsrechte beeinflussen die Kostenstruktur.

Auch bei Häusern ohne WEG fallen laufende Kosten an: Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Schornsteinfeger, ggf. Straßenreinigung, Abfall, Wartungen (Heizung), Instandhaltungsrücklagen. Halten Sie diese Positionen in Ihrem 3–5‑Jahres‑Plan fest.

Räumung, Nutzen‑Lasten & Übergang

In Vermietungssituationen gilt: Kauf bricht nicht Miete. Bestehende Mietverhältnisse bleiben grundsätzlich bestehen. Eigennutzer müssen Kündigungs‑, Umsetzungs‑ und Räumungsfragen rechtssicher angehen – mit Fristen und Formalien. Wirtschaftlich bedeutet das: Räumungskosten, ggf. Nutzungsentschädigung, Schließanlage, Entsorgung und Zwischenfinanzierung einplanen.

Der Übergang von Nutzen und Lasten richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben und konkretisierenden Entscheidungen des Gerichts. Ab einem bestimmten Zeitpunkt tragen Sie Versicherungen, Steuern, laufende Kosten – und haben Anspruch auf Erträge (z. B. Miete). Prüfen Sie akribisch, ab wann welche Kosten bei Ihnen anfallen, um Doppelbelastungen oder Lücken zu vermeiden.

Finanzierungskosten & Notar (Grundschuld)

Zwar ersetzt der Zuschlag den Notarvertrag, doch Finanzierungen erfordern oft eine Grundschuldbestellung. Dafür fallen Notar‑ und Grundbuchgebühren an. Die Höhe richtet sich u. a. nach der Grundschuld, Nebenleistungen und Tabellen. Berücksichtigen Sie zusätzlich Bereitstellungszinsen, Auszahlungs‑/Schätzgebühren der Bank und die Zinskosten bis zur Auszahlung/Endfälligkeit.

Stimmen Sie den Zahlungsplan mit Ihrer Bank ab: Wann wird das Meistgebot fällig? Welche Nachweise (z. B. Zuschlagsbeschluss) werden benötigt? Wie laufen die Zahlungswege (Gericht, Finanzamt, Grundbuch)? Eine frühzeitige Koordination verkürzt Wartezeiten und senkt Risiken.

Rechner: Nebenkosten & Gesamtausgaben

Mit diesem einfachen Rechner erhalten Sie einen schnellen Überblick. Hinweis: Sätze/Tabellen sind vereinfacht, ersetzen keine amtlichen Werte und dienen der Orientierung. Tragen Sie realistische Annahmen ein.

Passen Sie die Annahmen an Ihr Objekt an. Die Ausgabe aktualisiert sich sofort.

Musterrechnungen & Szenarien

Beispiel 1 – Eigennutzung: Reihenhaus (Baujahr 1992)

  • Meistgebot: 300.000 €
  • Annahme GrESt: bundeslandspezifisch, Platzhalter 5,0 % ⇒ 15.000 €
  • Gericht/Grundbuch pauschal: 4.000 €
  • Notar/Grundschuld: 3.000 €
  • Räumung/Übergabe: 2.000 €
  • Erst‑Instandsetzung: 25.000 €

Nebenkosten (ohne Instandsetzung) liegen im Beispiel bei ~24.000 € (8,0 % vom Gebot). Inklusive Erst‑Instandsetzung ergibt sich eine Gesamtausgabe von ~349.000 €. Vergleichen Sie diesen Wert mit Marktpreisen für vergleichbare Häuser in Ihrer Mikrolage – so prüfen Sie, ob Ihr Maximalgebot diszipliniert ist.

Beispiel 2 – Kapitalanlage: 2‑Zimmer‑ETW (Baujahr 1970)

  • Meistgebot: 150.000 €
  • GrESt Platzhalter 5,0 %: 7.500 €
  • Gericht/Grundbuch pauschal: 3.000 €
  • Notar/Grundschuld: 2.000 €
  • WEG Sonderumlage (beschlossen): 5.000 €
  • Erst‑Instandsetzung (Bad/Elektrik punktuell): 18.000 €

Die Gesamtausgabe liegt bei ~185.500 €. Bei einer Jahresnettomiete von 7.800 € und kalkulatorischen laufenden Kosten (nicht umlagefähiger Hausgeldanteil, Verwaltung, Instandhaltung) prüfen Sie, ob Ihre Nettoanfangsrendite und der Cash‑Flow zur Zielsetzung passen. Berücksichtigen Sie Zins und Tilgung für die Finanzierung.

Checkliste: Kosten & Steuern im Griff

FAQ – häufige Fragen

Fallen beim Zuschlag Notarkosten an?

Ein Kaufvertrags‑Notar entfällt – der Erwerb entsteht mit Zuschlag. Notarkosten können aber für die Grundschuldbestellung anfallen, wenn Sie finanzieren.

Wie hoch ist die Sicherheitsleistung?

Regelmäßig 10 % des festgesetzten Verkehrswerts. Akzeptierte Formen/Fristen stehen in der amtlichen Bekanntmachung des Gerichts.

Muss ich WEG‑Rückstände des Vorbesitzers zahlen?

Komplex und rechtlich differenziert. Prüfen Sie Beschlüsse/Abrechnungen und klären Sie früh mit der Verwaltung, welche Rückstände/Sonderumlagen wirtschaftlich bei Ihnen ankommen können. Im Zweifel rechtlich beraten lassen.

Welche Steuern fallen sicher an?

Regelmäßig die Grunderwerbsteuer (Satz je Bundesland). Grundsteuer fällt laufend an. Umsatzsteuer nur in Sonderkonstellationen. Bei Anlageobjekten wirken Werbungskosten/AfA.

Wie plane ich den Puffer?

Erfahrungsgemäß 10–20 % der Erst‑Instandsetzung als Puffer. Bei unklarer Objektlage lieber mehr.