Sonderfälle: Erbbaurecht, Nießbrauch, Wegerechte

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Einleitung & Zielgruppe

Neben klassischen Immobilien in der Zwangsversteigerung begegnen Bietern immer wieder Sonderfällen, die erhebliche Auswirkungen auf den Wert, die Nutzbarkeit und die Finanzierung haben: Erbbaurechte, Nießbrauchrechte und Wegerechte . Diese Rechte sind keine Randthemen, sondern prägen oft maßgeblich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen eines Objekts. Wer sie nicht versteht oder unterschätzt, riskiert Fehlkalkulationen im fünf- bis sechsstelligen Bereich.

Dieser Beitrag richtet sich an Eigennutzer, Kapitalanleger und Projektentwickler, die ein fundiertes Verständnis dafür entwickeln möchten, wie diese Sonderrechte entstehen, welche Folgen sie im Alltag haben und wie sie in der Praxis korrekt bewertet werden. Wir erklären zentrale Begriffe, zeigen die praktische Relevanz anhand von Beispielen und geben eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie Sie Erbbaurecht, Nießbrauch und Wegerechte im Rahmen einer Zwangsversteigerung richtig einordnen.

Wichtig: Die folgenden Ausführungen ersetzen keine individuelle Rechts- oder Steuerberatung. Besonderheiten können sich je nach Bundesland, Amtsgericht und konkretem Grundbucheintrag ergeben. Ziehen Sie bei Unsicherheiten immer einen Fachanwalt oder Notar hinzu.

Wesentliche Besonderheiten

  • Erbbaurecht: Eigentum an Gebäude getrennt vom Eigentum am Grundstück. Meist mit Laufzeiten von 60–99 Jahren. Erbbauzins als laufende Belastung.
  • Nießbrauch: Umfassendes Nutzungsrecht einer dritten Person (z. B. Wohnrecht oder Mieteinnahmen), das häufig lebenslang gilt.
  • Wegerechte: Dienen dem Zugang zu Grundstücken. Können erheblich den Wert steigern (wenn zugunsten) oder einschränken (wenn zulasten).
  • Bestehenbleibend im Zuschlag: Diese Rechte werden in aller Regel nicht gelöscht, sondern bleiben auch nach Zuschlag bestehen.
  • Wertrelevant: Banken, Gutachter und Gerichte berücksichtigen sie unmittelbar bei der Wertermittlung und Beleihung.

Schritt-für-Schritt-Vorgehen

1) Erbbaurecht verstehen & prüfen

Das Erbbaurecht erlaubt es, ein Gebäude auf fremdem Grund zu besitzen. Der Erbbaurechtsnehmer zahlt dafür einen Erbbauzins. In einer Zwangsversteigerung erwerben Sie dann nur das Erbbaurecht, nicht das Grundstück. Prüfen Sie:

  • Laufzeit und Restlaufzeit des Erbbaurechts
  • Höhe und Anpassungsklauseln des Erbbauzinses
  • Heimfallregelungen am Ende der Laufzeit

2) Nießbrauchrechte analysieren

Ein Nießbrauch gewährt einer Person das Recht, eine Immobilie zu nutzen oder Erträge (z. B. Mieten) zu ziehen – auch wenn Sie als Erwerber im Grundbuch stehen. Typisch: Eltern setzen Kinder als Eigentümer ein, behalten sich aber den Nießbrauch vor.

Prüfen Sie:

  • Dauer (lebenslang oder befristet?)
  • Umfang (voller Nießbrauch oder nur Wohnrecht?)
  • Verhältnis zu laufenden Kosten (wer trägt Instandhaltung?)

3) Wegerechte und Dienstbarkeiten

Wegerechte stellen sicher, dass Grundstücke erreichbar bleiben. Sie können zugunsten (Wertsteigerung) oder zulasten (Belastung) eines Grundstücks eingetragen sein. Bei Zwangsversteigerungen bleiben sie regelmäßig bestehen.

Prüfen Sie:

  • Lage und Ausgestaltung des Wegerechts
  • Belastung durch Fremdnutzung (z. B. Durchgangsrecht für Nachbarn)
  • Eintragung im Grundbuch und genaue Formulierung

Recht & Risiken

  • Fortgeltung: Erbbaurechte, Nießbrauch und Wegerechte bleiben nach Zuschlag bestehen – sie sind keine „Altlasten“, die automatisch gelöscht werden.
  • Wertminderung: Nießbrauch kann den Verkehrswert um 30–60 % reduzieren.
  • Finanzierung: Banken stufen Objekte mit Sonderrechten oft restriktiver ein.
  • Konfliktpotenzial: Streit mit Berechtigten (z. B. über Wegbenutzung, Instandhaltung, Pflichten) kann Kosten und Zeit binden.

Zahlen & Beispiele

Beispiel A – Erbbaurecht

Verkehrswert 200.000 €, Restlaufzeit 40 Jahre, Erbbauzins 3.000 €/Jahr. Marktwert im Vergleich zum Volleigentum ca. 30–40 % niedriger.

Beispiel B – Nießbrauch

Wohnung Verkehrswert 250.000 €. Nießbrauchberechtigter (75 Jahre alt). Marktwert reduziert sich auf ca. 120.000–150.000 €, abhängig von Lebenserwartungstabellen.

Beispiel C – Wegerecht

Grundstück mit Last: öffentlich eingetragenes Wegerecht für Nachbargrundstück. Marktwert ca. 10–15 % reduziert durch eingeschränkte Nutzung.

Checkliste

FAQ – häufige Fragen

Kann ein Nießbrauch gelöscht werden?

Nur durch Verzicht des Berechtigten oder durch Tod bei lebenslangem Nießbrauch. Im Grundbuch eingetragen – bleibt auch nach Zuschlag bestehen.

Wie lange gilt ein Erbbaurecht?

Typischerweise 60–99 Jahre. Restlaufzeit entscheidend für Wert und Finanzierung.

Wie prüfe ich Wegerechte?

Eintrag im Grundbuch lesen und vor Ort prüfen. Im Zweifel Vermessungsamt oder Bauamt hinzuziehen.